Korczak-Mentsch

Ein Musical für Jugendliche von Mathias Siebert

 Sein liebster Platz im Leben war der zwischen den Stühlen. Er machte es den Menschen selten recht, schwamm gerne gegen den Strom. Aber dabei immer besorgt um das Wohl des Kindes. Denn das war sein Lebensmittelpunkt, dafür hat er alles gegeben: Janusz Korczak, Arzt, Schriftsteller, aber vor allem: Pädagoge und Waisenhausleiter im Warschau der 30er und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Seine Pädagogik und sein Blick auf das Kind waren so radikal, dass es uns bis heute mit Staunen erfüllt. Vor allem waren die Kinder bei ihm nicht kleine Arbeitstiere, die erst mit 16 oder 17 zu richtigen Menschen wurden. Für Korczak war das Kind von seinem ersten Atemzug an ein ernstzunehmender und besonderer- Mensch.

In seinem Waisenhaus ermunterte er dessen Bewohner sich, so weit es ging, selbst zu verwalten. Dazu gehörte eine richtige Zeitung, ein Kindergericht, ein Lehrplan und sogar eine Radiosendung, in der viele Geschichten aus dem Haus den neugierigen Hörern draußen erzählt wurden.

Als die Nationalsozialisten das Warschauer Ghetto errichteten, musste Korczak mit seinen 200 Kindern umziehen. Auch im Ghetto versuchte der Arzt den Lebensalltag seiner Schutzbefohlenen so normal wie möglich zu gestalten. Das haben ihm einige der älteren Praktikanten angekreidet: „Er schafft ihnen ein grausames Paradies.“ Nicht vorbereitet auf den entsetzlichen Alltag, der ihnen außerhalb der Waisenhausmauern entgegen schlug.

Im  Theaterstück „Korczak-Mentsch“ beschreiben wir anhand einzelner, typischer Szenen, die so oder so ähnlich aus Erzählungen von Korczaks Kindern überliefert sind, wie der alte Mann den Alltag in seinem Waisenhaus gestaltet hat.

Wir erleben, wie Esther, als Neuzugang, ihre erste pädagogische Lektion von Korczak erhält, wie das Kindergericht tagt, und warum es wichtig ist, einmal in der Woche gewogen und gemessen zu werden.

Der Zuschauer sieht, wie nach und nach, die Luft im Ghetto immer stickiger wird, die Kinder eine verzweifelte Sehnsucht nach kleinen Blumen und grünem Gras entwickeln und warum Rachel ihre „harten Hände“ nicht mag, die schon mit Vierzehn so viel Arbeit gesehen haben.

Das Stück beginnt, wie es endet: Mit dem berühmten Gang der Kinder und ihrem väterlichen Freund Janusz Korczak vom Waisenhaus zu der Sammelstation am Warschauer Bahnhof. Deportation. 6. August 1942, ein strahlend blauer Sommermorgen. Und Mendelek mit der grünen Fahne vorneweg.

Der Zug bringt sie in Viehwagen nach Treblinka, direkt ins Gas. „Wir feiern hier keine Geburtstage“, singt Lohenstein, einer der vier „Stiefel“. Bei uns das Synonym für die Nazis, denen wir ihre eigene Symbolik und Begrifflichkeiten auf unserer Bühne nicht zugestehen.

Das Stück hatte 1996 mit den „Young Musical Fools“ in Danzig seine Premiere. Eröffnete wenige Monate später im Warschauer Kulturpalast das Festival „Korczak-Alive“ und liegt jetzt in einer neuen, umgearbeiteten Fassung vor. Alle Musiken wurden für das arco Streichorchester und den  Jugendchor Osterholz umgeschrieben und neu arrangiert.

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